Historischer Vortrag im Rathaus: Den Sonneberger Bomben-Opfern ein Gesicht geben
Großer Andrang herrschte am Mittwoch, 12. Februar 2025, im Sonneberger Rathaussaal. Die Stadtbibliothek und das Stadtarchiv hatten eingeladen zu einem historischen Vortrag über „Sonneberg im Luftkrieg“ mit Lokalredakteurin und Heimatforscherin Martina Hunka. Dieser war so schnell ausgebucht gewesen, dass eine zweite Veranstaltung angesetzt wurde, die ebenfalls ruckzuck voll war. Mit dem Antikriegs-Song „Sag‘ mir wo die Blumen sind“, einfühlsam vorgetragen von Stadtarchiv-Mitarbeiterin Nicki Stamm, wurden die Besucher eingestimmt auf das Thema.
Bürgermeister Dr. Heiko Voigt freute sich über das Interesse und begrüßte die Gäste im voll besetzten Rathaussaal, bevor die Referentin die mehr als ein Jahr andauernden Recherchen von ihr und Hobbyhistoriker Stefan Lutz vortrug. Sie beleuchtete in rund anderthalb, sehr kurzweiligen Stunden die Ereignisse der verheerenden Bombardierungen auf die Stadt am 14. Februar 1945, aber auch die Hintergründe der Rüstungsproduktion und die Schicksale der insgesamt 28 Opfer, die sie namentlich recherchiert hatte. Sie schilderte auch, wie damals „der blinde Zufall oft über Leben und Tod entschied“ und zeigte historisches Bildmaterial.
Hunka zeichnete die Entwicklung der lokalen Wirtschaft nach, die ab den 1930er Jahren zunehmend auf Rüstungsproduktion umgestellt wurde. Spielzeughersteller wechselten in die Produktion von militärischen Gütern: „Sozusagen von A bis Z – von Antennen bis zu Zahnrädern“, führte Hunka die verschiedensten in Sonneberg produzierten Kriegsgüter aus. Als Beispiel nannte sie unter anderem die eigenen Vorfahren: Hatte ihr Großvater für die Firma Hartwig zuerst Spielzeug und Schmuckkästchen aus Holz gefertigt, wurden daraus später Transportkisten für die Luftwaffe und ab 1937 etwa Lastensegler für Einsätze hinter der Front.
Besonders detailliert schilderte Hunka das Bombardement vom 14. Februar 1945, das der Rödentaler Stefan Lutz mit Hilfe amerikanischer und deutscher Militärakten, Einsatzberichten von Bomberpiloten und Augenzeugenschilderungen zusammengepuzzelt hatte. Dabei wurde auch mit der bisherigen Geschichtsschreibung aufgeräumt. Nicht wie ursprünglich angenommen von der Dresden-Bombardierung waren die Piloten zurückgekommen, um ihre übrige tödliche Fracht auf Sonneberg zu verteilen. Nein, sie hatten ein Manöver auf Chemnitz wegen schlechten Wetters abbrechen müssen und warfen die Bomben auf dem Rückweg auf das „Notziel“ Sonneberg ab.
Um 13.21 Uhr am 14. Februar 1945 begann die Bombardierung in Sonneberg, bei der zwölf Boeing-Bomber Bahnanlagen angriffen und eine Spur der Verwüstung zwischen Köppelsdorf und Bettelhecken hinterließen. Innerhalb weniger Minuten wurden Wohngebiete zerstört und verloren unmittelbar 9 Frauen, 9 Männer und 8 Kinder ihr Leben, zwei Menschen erlagen später noch ihren Verletzungen. Weitere Bombardements der Alliierten auf Sonneberg am 10. April 1945 forderten zusätzliche Opfer.
Der Vortrag stieß auf große Resonanz und machte deutlich, wie tief die Kriegsjahre in das kollektive Gedächtnis der Stadt eingebrannt sind. Die intensive Beteiligung Sonnebergs an der Rüstungsproduktion wirft dabei bis heute Fragen auf, denen sich Hobbyhistoriker Stefan Lutz auch weiterhin widmet. Die fundierte Analyse von Lutz und Hunka sowie die eindringlichen Schilderungen im Vortrag machten die Veranstaltung zu einem bewegenden Erlebnis für die Zuhörerinnen und Zuhörer, die sie mit einem anhaltenden Applaus, viel Lob im Nachgang und dem eifrigen Kauf der neu herausgegebenen Broschüre zum Thema ausdrückten. Am Jahrestag, dem 14. Februar 2025, gibt es um 10 Uhr eine Kranzniederlegung auf dem Hauptfriedhof in Gedenken an die Opfer.
- Das Heft aus der Reihe „Berichte zur Regionalgeschichte“, herausgegeben vom Stadtarchiv Sonneberg mit dem Titel „Sonneberg im Luftkrieg 1933 – 1945“ der Autorengemeinschaft Martina Hunka und Stefan Lutz gibt es ab sofort für 15 Euro pro Exemplar in der Stadtbibliothek Sonneberg zu kaufen.
- Ein MDR-Team hat Zeitzeugen befragt, das Autorenteam interviewt und die Veranstaltung im Rathaus begleitet. Der Beitrag lief am Samstag, 15. Februar 2025, um 19 Uhr im Thüringen Journal im MDR-Fernsehen und steht zum Anschauen in der Mediathek zur Verfügung.
